1. Interview

„Ja, ähem, bitte, genau so: Professor Doktor Kenroth. Punkt. Aus. Ja?!“
„Gerne, Herr Professor Doktor Kenroth. Nun sind Sie ja einem breiten Publikum nicht ganz unbekannt, deshalb möchte ich Sie auch gleich auffordern, uns einfach mal zu erzählen, wie sie dazu kamen, Nachforschungen über jene geheimnisvolle `Bibliothek der Verlorenen Bücher´ anzustellen?“
„Nun, ja, das ist ganz einfach erklärt – das heißt, na ja, so einfach ist es doch nicht...“
„Erklären Sie ruhig.“
„Gut, gut. Wie Sie wissen, leben wir nicht nur in einer physischen Welt, also in dem, was um uns herum ist, sondern ebenfalls in der Welt individueller Wahrnehmung und des Bewusstseins, sowie in einer Welt der geistigen und kulturellen Inhalte. Ja? Das Interessante ist, dass diese Welten miteinander in Wechselwirkung treten, wobei die Welt der geistigen und kulturellen Inhalte, zum Beispiel ein fertiggestelltes Buch, unabhängig vom Einzelbewusstsein existieren kann.“
„Entschuldigen Sie, aber, wie ist das gemeint?“
„Nun, das leuchtet ganz einfach ein: Sie begeben sich in eine Bibliothek und werfen mal einen Blick auf die Bücher in den Regalen – die existieren von Ihnen unabhängig, Sie wussten bis zum jetzigen Zeitpunkt nichts von ihrer Existenz.“
„Ja, verstehe. Das erinnert mich ganz schön an die Drei- Welten- Lehre von Karl Popper.“
„Ja, mein Lieber, das genau ist sie, die Drei- Welten- Lehre von Popper. Nun, wenn Sie sich einmal umschauen, da sehen Sie meinen Schreibtisch, den Füller, den Laptop, das Fenster, die Deckenleuchte und so weiter, daran wird Ihnen nichts geheimnisvoll erscheinen, es sei denn, Sie interessieren sich für die Funktionsweise der Deckenleuchte, der Herstellung des Schreibtisches und die Bauweise des Fensters. Die Produktion dieser Gegenstände sind einfache physikalische Vorgänge, die mich jedenfalls nicht sonderlich interessieren. Jedoch bin ich auf diese angewiesen, um meine Interessen, zum Beispiel in der Welt der geistigen und kulturellen Inhalte, zu verfolgen.“
„Ja, klar.“
„Gut. Jedes Buch stellt also eine eigene Welt dar, die man sich erschließen, ja, ich sage sogar, erobern kann. Und jetzt stellen Sie sich mal vor, Sie stünden in einer Bibliothek. Können Sie sich vorstellen, was das bedeutet?
„Ja, kann ich mir denken.“
„Wie bitte? Das können Sie sich `denken´?! Also, mein Lieber, das sind unendliche Welten, die sich da vor Ihnen auftun! Vergleichen Sie das mit dem Weltraum, den Milliarden Planeten, die Sie entdecken können! Das tut man nicht mit einem einfachen ` Ja, kann ich mir denken´ ab! Wenn Sie viele dieser Welten, ich sage mal erforschen, werden Ihnen viele neue Erkenntnisse kommen und Ihr Leben bereichern! Ja, so ist das!“
„Sie haben recht, Herr Professor Doktor Kenroth. Aber zurück zur Ausgangsfrage...“
„Ja, ähem, ja. Nun wissen Sie, das World- Wide- Web ist voll mit Datensätzen, angefüllt mit Büchern, noch und nöcher, praktisch grenzenlos. Eine unendliche Bibliothek. Sie können diese Bibliothek gezielt nach Informationen absuchen. Sie erstellen einen Plan und machen sich auf den Weg – natürlich per Computer. Sie können sich aber auch auf eine `grobe´ Marschrichtung beschränken: Sie suchen ein Geheimnis und zwar ein Buch oder eine Bibliothek. Niemand zuvor hat diese Bibliothek je gesehen, aber Sie wissen, sie enthält Wahrheiten, die andere nicht kennen. Und diese möchten Sie aus irgendeinem Grund, wie ein Archäologe, kennenlernen. So erging es mir. Ich machte mich an meinem Laptop auf die Suche nach dieser Bibliothek oder nach einer dieser Bibliotheken. Ich wusste nicht warum, ich wusste nicht, wo ich suchen sollte, ich wusste nur, es muss sie irgendwo geben. Ich bin Abenteurer, verstehen Sie? Ja.“
„Ja, das kann ich bestätigen. Dazu sind Ihre Ansichten nicht gerade Mainstream.“
„Ja, ähem, und dann bin ich auf diese `Bibliothek der Verlorenen Bücher´ gestoßen. Ganz durch Zufall, fragen Sie mich bitte nicht wie. Wenn es eine Rolle spielt: Ich rührte gerade in einer Tasse schwarzen Tees, drückte nebenbei irgendeine Zeichenkombination und schon tat sich diese mysteriöse Seite auf.“
„Wann war das?“
„Das war vor gerade erstmal zwei Tagen. Irgendwann nachts, wann, habe ich vergessen.“
„Was hat Sie an dieser Seite so gefesselt?“
„Ja, mein Lieber! Zunächst einmal klang die Einleitung sehr spannend und dann hangelte ich mich von Seite zu Seite, blätterte vor und zurück, wieder vor und zurück. Und mir fiel dann bei Besuch der Seite `Bibliothek´ auf, dass sie ständig um ein weiteres Buch anwuchs. Ich war hier also auf irgendjemanden oder irgendetwas getroffen, der oder das ein Buch nach dem anderen hinzufügte.“

 

2. Interview

>><<